Politiker und Frauen (ID)

Dies war ungeplant. Ich meine diese Fortsetzung meines letzten Kolumnenthemas. Aber es gab Briefe und Telefonate auf meinen Vorschlag, bei Straßenbenennungen künftig auch die Frauen verdienter Uelzener Politiker zu berücksichtigen. Wo schon die Uelzener Frauen selbst nur so selten Politik direkt entscheiden. Dafür aber umso. mehr indirekt über ihre Männer. Deshalb ja mein Vorschlag. Eine der Reaktionen kam aus Göttingen und ist heiß. So heiß, dass ich mich verbrannt zu haben glaube und meinen frauenfreundlich gemeinten Vorschlag zurückzuziehen überlege. In Göttingen gibt es nämlich mehr Frauen in der (Kommunal-) Politik als in Uelzen, und die haben im Stadtrat dort folgenden Beschluss durchgesetzt: Wegen der unanständig übergroßen Zahl von Männernamen auf den Göttinger Straßenschildern (man denke an Johannes Gauß, an die Göttinger Sieben", unter denen wiederum an die Brüder Grimm, an die vielen Nobelpreis- u.a. Träger aus Göttingen, u. a. auch einer der Uelzener Theologen namens Oberdieck, der die weltweit erste Professur für Pflaumenpflanzkunde -Pommologie - erhielt, kurz, berühmte Männer in Massen) - also wegen dieser Männerüberbetonung auf Straßenschildern erging folgender Beschluss: Es dürfen solange nur neue Straßenschilder mit Frauennamen aufgehängt werden, bis Geschlechter-Gleichstand erreicht ist. Erst wenn ebenso viel Straßen auf die Verdienste von Frauen hinwiesen, dürfen Männer wieder geehrt werden. Obwohl dieser Beschluss die Göttinger Tagespresse nicht kalt ließ und Diskussionen entstanden (zugegeben: auch in den Göttinger Redaktionen sitzen mehr Männer als Frauen), half es alles nichts: Durchgehend Frauennamen auf neue Schilder. Mir ist heiß geworden angesichts der Vision, Uelzener Frauen würden gruppenweise Politikerinnen und einen ähnlichen Beschluss durchsetzen. Das würde bedeuten, dass die nächsten drei bis vier Jahrhunderte kein einziger Mann oder seine Nachfahren seine Verdienste auf einem Straßenschild gespiegelt sieht. Auf Jahrhunderte hin nicht. Fast al60 ewig. Jetzt verstehe ich, warum Uelzen gar nicht erst mehrere Frauen in das Parlament wählte. Aus Furcht, Uelzen würde Göttinger Verhältnisse bekommen. Dabei hätten Uelzen nur Struck und vielleicht noch Wallmann gegenwärtig zu bieten - und nicht mal einen halben oder gedrittelten Nobelpreisträger. Nein, ich verstehe die Nichtwahl von Frauen. Es war eine angstdiktierte Wahl. Und meinen frauenfreundlichen Vorschlag halte ich nur so lange aufrecht, wie wir keine Göttinger Verhältnisse kriegen.

16. Oktober 2001